Interview mit Philip Butz

Interview mit Philip Butz, Hauptdarsteller in „Rio Reiser – Mein Name ist Mensch“
Philip Butz verrät, was ihn an der Figur immer noch fasziniert 

Wie ist es Dir ergangen in der Krise?

Ich hatte eine Wohnung einzurichten und mir war gar nicht langweilig. Ich war viel im Baumarkt. Wie so viele andere auch (lacht).

Wie war das im vergangenen Jahr für Dich, als Du erfahren hast, dass Du die Rolle des Rio bekommen hast?

Das war für mich positiv überraschend. Ich hatte das Gefühl, die ganze Vorbereitung hat sich rentiert, viel Freude, aber auch Respekt vor der großen Aufgabe.

Was war für dich die größte Herausforderung in der Rolle?

Die Vielschichtigkeit auf jeden Fall. Rio war für mich ganz lange nicht so richtig zu greifen. Und dieser Klickmoment, auf den jeder Schauspieler immer so sehnsüchtig wartet, der ließ tatsächlich etwas auf sich warten. Jedes Klischee, was es von Rio gibt: Der Aggro-Draufgänger, der politisch extrem links aktiv ist, dass man den die ganze Zeit so nach vorne spielt, das hat für mich nicht funktioniert. Der Zurückgezogene, Sensible aber auch nicht. Letztlich wurde es einfach eine große Mischung aus vielen Emotionslagen.

Du hast Dich sehr intensiv mit Rio Reiser beschäftigt. Was hat Dir an ihm am meisten imponiert?

Eigentlich auch wieder seine Vielschichtigkeit – aber in künstlerischer Hinsicht. Er hat sich vieles selbst beigebracht, hat eine Fotografenausbildung gemacht, das fand er ganz gut, als er noch jung war, aber wahrscheinlich eher, weil er da seine Ruhe hatte und Bilder entwickeln konnte - in der Dunkelkammer. Das hat zu ihm gepasst. Dann aber auch der Schulterschluss mit seinen Brüdern und dass sie dieses Figurentheater gemacht haben, mit Improvisation gearbeitet haben, dass sie Leute auf die Bühne geholt haben, eigentlich immer in Eigeninitiative vorangekommen sind. Auch ganz frech an den Türen der großen Häuser geklingelt haben, wie beispielsweise in Berlin mit der ersten „Beat-Oper“. Dass er drangeblieben ist am Schreiben, am Musizieren und auch am Schauspielen, dass er sich auf so viele unterschiedliche Arten gut ausdrücken konnte.

Warum ist Rio Reiser immer noch eine Kultfigur?

Weil er den richtigen Nerv trifft bei den Leuten, weil er ´ne große Sehnsucht ausdrückt – nach Freiheit. Das war in der DDR damals natürlich ein Riesenthema. Ich seh ihn jetzt zum Beispiel in Belarus, dass er dort singen würde, dass man laut aus der Ohnmacht kommt, dass man Initiative ergreift, dass man gehört wird, dass Veränderung erst mal gut ist, aber eine solidarische. Ich seh ihn jetzt nicht auf irgendeiner Corona-Demonstration singen.

Kannst Du noch „Ton Steine Scherben“–Songs hören?

Ja, das kann ich sehr gut. Bei den Songs, die man spielt, muss man aufpassen, dass alles frisch bleibt. Denn das schätze ich besonders an ihm: dass man das Gefühl hat, er erfindet gerade den Text in dem Moment selbst – bei seinen Liveauftritten. Vor den Auftritten im Theater hab ich mir manchmal noch einen Song angehört, der im Stück nicht vorkam, einfach, um noch mal eine andere Farbe reinzukriegen.

Hast Du einen Lieblingssong aus der Show?

Lange Zeit war das „Jenseits von Eden“, momentan ist es aber „Gefahr“, weil das von einer Welt spricht, die es gerade nicht gibt: „Ich will fliegen, tanzen, rasen. Will nicht Angst, ich will Gefahr.“ Wir sind natürlich gerade alle auf Sicherheit aus und das ist auch richtig so, aber es gibt auch eine andere Seite: Wenn in der Hasenheide jetzt die Jugendlichen feiern, dann muss da was raus, da muss sich was Platz machen und das ist in diesem Song drin.

Hast Du bereits unter Corona-Bedingungen gespielt?

Ich hätte zwei Projekte gehabt, aber die sind beide verschoben worden. Tatsächlich ist das jetzt mein erster Auftritt nach dem Lockdown.

Theater unter Corona-Bedingungen. Was denkst Du? Geht das? Der Regisseur Frank Leo Schröder wird das Stück ja uminszenieren müssen.

Ich glaube, man muss sich von der Atmosphäre her auf was anderes einstellen. Das wird eine andere Emotion als wenn der Laden voll ist.

 

Das Interview führte Brigitta Valentin (Leitung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit)